Akademietheater /// 4. September 2025 /// bumm tschak oder der letzte henker
Schwerfälliger Stoff in politischem Schwarzweiß versucht auf einer schrägen Bühne im Akademietheater Halt zu finden. Scheint der Inhalt zunächst am Hier und Jetzt inspiriert, fährt sich die konstruierte Dystopie zwischen Club, Politik und Narren fest.
Ganze 27 Premieren will das Burgtheater in der Saison 2025/2026 zu seinem 250-jährigen Bestehen auf die Bühne bringen. Als Spielzeitauftakt, erste Premiere und Uraufführung zugleich wird das dystopisch-politische Richtspiel bumm tschak oder der letzte Henker gezeigt. Aus der Feder Ferdinand Schmalz’ und unter der Regie des Burgtheaterdirektors Stefan Bachmann nährt der allgemein-positive Tenor nach einer bereits gelobten Jedermann-Inszenierung der beiden für die Salzburger Festspiele 2018 den Boden für hohe Erwartungen. Doch Erwartungen werden in aller Regel enttäuscht.
„weils alle tun, scheints als tanzten wir…“
Schrill möchte die Handlung daherkommen. Denn um so größer das Elend der als zukünftig karikierten Gesellschaft, desto größer auch der Wunsch dem Grau und Elend der Umgebung zu entfliehen. Das gelingt nirgends besser als im angesagtesten Club der Stadt: dem „Schafott“. Der Clubbesitzer Josef (Max Simonischek) kann zusammen mit seinem Mitspieler Flamboyanza (Thiemo Strutzenberger) damit den verheerenden Umständen zumindest geschäftlich etwas abgewinnen. Sonst begreift er den Club eher als Rückzugsort vor dem da draußen. Bis das Draußen rein kommt.

Denn nicht nur zwei „Systemschergen“ (Mehmet Ateşçi, Sarah Viktoria Frick) schaffen es mit verdrehter und scheinheilig-gewaltfreier Argumentation durch die sonst wählerische personifizierte Tür (Stefanie Dvorak) des Clubs: Auch die neugewählte oder -geputschte rechte Kanzlerin (Melanie Kretschmann) ist zu Gast. Sie will das erfolgversprechende Konzept des Etablissements für sich – „für unsre Leut’“ – fruchtbar machen. Fehlt ihr doch für die jüngst eingeführte Todesstrafe noch ein vollstreckender Henker. Da scheint der Club „Schafott“, in welchem mit der hauseigenen Guillotine als Showeinlage mitternächtlich Melonen halbiert werden, keine schlechte Wahl. Vielmehr ist nicht nur der Name Programm.
Freiwillig übernimmt Josef dieses Amt jedoch nicht: Die Handlung wird ganz im politischen Schwarzweiß durch eine linke Aktivistin (Mares Regner), im Widerstand gegen die rechte Kanzlerin, komplettiert, die als Freundin Josefs nun als politische Gefangene in der Strafvollzugsanstalt verbüßt.

Der erste Verurteilte wird hingerichtet, ehe sich die selbstkonstruierte Dystopie in Gänze festfährt. Während man auf eine Lösung oder einen Zentimeter Fortschritt wartet, zirkelt die Handlung im Kreis um rechte Kanzlerin, linken Aktivismus und wummernden Bass. Unverhofft endet die Parabel, die mit ihrer Lehre zuletzt noch platt Kritik am Schweigen und blinden Mitziehen der Masse üben möchte: Zum Finale rollen keine Melonenhälften, sondern Köpfe einer spontanen Massenenthauptung über die Bühne.
„gerade jetzt brauchts eine sprache, die die gewalt nicht mehr kaschiert…“
Wirkte das Ensemble nach der Spieltzeitpause frisch und unverbraucht, hauchte dem Stück also etwas Lebendigkeit ein, kommen Inhalt und Regie ermüdend und wenig erhellend daher. Man hat den Eindruck, dass das politische Theater in Österreich – vielleicht auch jüngerer und jüngster Ereignisse wegen – in einer Dualität festgefahren ist. Selbst ein verurteilter Mörder erscheint als Konterpart des in der Kanzlerin figurierten Rechtspopulismus als liberal, zuvorkommend, ja beinahe mustergültig.

Unübertroffen bleiben Tür und Schergen; die weniger mit Gestik denn vielmehr mit Sprache und Ausdruck für Abwechslung im statischen und nur selten farbig ausgeleuchteten Rauschen der Bühne sorgen. Auch im Kostüm (Adriana Braga Peretzki) überzeugen beide: Die herrische Tür mit päpstlicher Aura; die Schergen mit Alienkopf und Clowsfratze beinahe wie ein Geschwür. Dagegen erscheint eine schrill pinke Kanzlerin abermals plattitüdenhaft.
Die Sprache bleibt – ganz im Stile Schmalz’ – dynamischstes Mittel des Abends. Durch ums Verb verkürzte Sätze, barocke Sprechschlangen oder Tagebuch-Staccato wird eine künstliche Gedankenschwere konstruiert. Konstruiert, da die verschiedenen Protagonisten sonst weniger schwer, denn eher sphärisch zu ihren Mono-, Dia- und Trilogen über die Bühne mimen (Sabina Perry).
Indes muss das Zusammenspiel von Licht (Bernd Purkrabek) und Musik (Sven Kaiser) mit der Handlung positiv hervorgehoben werden. Nichts ist aufdringlich, alles ist wohl dosiert und bereitet der lahmen Handlung so wenigstens einen angenehmen Teppich. Sei es das Wummern des Clubs oder Lichtkegel die Handlungsstränge auf der Bühne separieren.
Weiters funktioniert die schräge Bühne (Olaf Altmann) gut als materialisiertes Konzept des Stücks. Einerseits krebst aus dem Dunkel der schrägen Bühne alles Zwielichtige herauf oder stürzt aus dem hellen Sein herab. Andererseits wird das oft wiederholte „Kopf-ab“-Motiv im silbernen Fallbeil Wirklichkeit, das statt eines schweren Vorhangs fällt.
Ein letztes Mal fällt dieses Fallbeil der Guillotine. Dieser letzte Vorhang bereitet damit einem kopflosen Stück einen wahrhaftig kopflosen Ausgang. Es folgt wohl gemeinter Applaus.
BUMM TSCHAK ODER DER LETZTE HENKER. EIN RICHTSPIEL von Ferdinand Schmalz Regie: Stefan Bachmann | Bühnenbild: Olaf Altmann | Kostüme: Adriana Braga Peretzki | Komposition und musikalische Leitung: Sven Kaiser | Choreographie & Körperarbeit: Sabina Perry | Licht: Bernd Purkrabek | Dramaturgie: Lea Goebel | systemschergen: Mehmet Ateşçi, Sarah Viktoria Frick | die strenge tür / der strafvollzugsbeamte: Stefanie Dvorak | kanzlerin: Melanie Kretschmann | josef: Max Simonischek | flo: Mares Regner | flamboyanza: Thiemo Strutzenberger | deliquent: Stefan Wieland
Mehr Informationen unter bumm tschak oder der letzte henker – Burgtheater
Nächste Aufführungen: 15. September und 5., 11., 26. Oktober 2025
Fotos: © Tommy Hetzel