Kammeroper (MusikTheater an der Wien) /// 10. Oktober 2025 (Premiere 23. September 2025) /// L’occasione fa il ladro
Die spritzige Saisoneröffnung in der Kammeroper des MusikTheaters an der Wien mit einem frühen Einakter Gioachino Rossinis ist nicht nur der drei Drehtüren auf der Bühne wegen eine durch und durch runde Sache.
Mehr Rossini kompakt und gewinnbringend verpackt in eine eineinhalbstündiges burletta per musica wird man wohl kaum finden. Musikalisch wie auch dramatisch (Regie: Marcos Darbyshire). 1812 vertonte Gioachino Rossini das Libretto L’occasione fa il ladro – zu deutsch: Gelegenheit macht Diebe – von Luigi Prividali basierend auf der Vorlage des zeitgenössisch äußerst populären französischen Dramatikers Eugène Scribe. Es ist eine der fünf frühen Farcen des noch jungen Rossinis und eine Verwechslungskomödie par excellence.
Don Parmenione (Roberto Lorenzi), dessen Diener Martino (Lazar Parežanin) sowie der Conte Alberto (Alberto Robert) treffen vor einem gewaltigen Gewitter schutzsuchend aufeinander. Kurze Höflichkeiten werden ausgetauscht, ehe Alberto sogleich und voller Ungeduld weiterreist auf dem Weg zu seiner ihm bisher unbekannten Braut. In aller Unübersichtlichkeit greift Alberto jedoch den falschen Koffer und zieht von Dannen.
Auch Parmenione und Martino wollen aufbrechen, bemerken jedoch das Missgeschick. Anstatt nun nach Alberto zu schicken, öffnet Parmenione den fremden Koffern und findet neben Geld und Ausweis auch ein bezauberndes Frauenbildnis. Die vermeintliche Braut? Schnell ist der Plan gefasst, sich als Alberto auszugeben und hoffentlich vor diesem Hochzeit zu feiern.

Derweil wartet man im Hause Don Eusebios (Ilyà Dovnar) – der Onkels der Braut – auf die Ankunft des Bräutigams. Die Braut Berenice (Inna Demenkova) selbst wird von Zweifeln gequält, kennt sie doch ihren Bräutigam gar nicht. Zusammen mit ihrem Kammermädchen Ernestina (Petra Radulovic) beschließt sie, ebenfalls Rollen zu tauschen, um den unbekannten Bräutigam zunächst aus sicherer Distanz in Augenschein nehmen zu können.
Der Hochstapler Parmenione erscheint zuerst und verliebt sich Hals über Kopf in die vermeintliche Braut Ernestine, während der später hinzukommende und als Lügner diffamierte Alberto der als Kammermädchen gekleideten Berenice schöne Augen macht. Die Verwirrung scheint perfekt. Nicht ganz. In einer lautstarken Auseinandersetzung der beiden Konkurrenten, die jedoch in einer stillen und zufriedenstellenden Abmachung beider endet, kommen Berenice Zweifel an der Identität des Bräutigams. Frau greift durch und entlarvt Parmenione, während Ernestine und Eusebios zugleich den Diener Martino zur Rede stellen.
Am Ende also werden alle Verwicklungen entwirrt und einem Wiener Schluss gleich findet jeder Liebende seine Liebe.

So rasant wie Rossini das Werk komponierte – innert elf Tagen – schwindet auch der vergnügliche Abend dahin. Bemängelten Zeitgenossen nach der Premiere in Venedig, durch die Kürze des Werkes das Können der Sängerinnen und Sänger nicht richtig einschätzen zu können, überzeugt das gesamte Ensemble in der Kammeroper von Beginn an sowohl musikalisch als auch theatralisch charakterstark und facettenreich.
Ein besonderer Genuss sind die mehrstimmige Nummern: Nicht nur Orchester und Ensemble kohärieren miteinander, sondern auch die Einzelstimmen phrasieren dynamisch und ausdrucksstark aufeinander abgestimmt.
Es macht Spaß einer Inszenierung beizuwohnen, in welcher man die Früchte durchdachter Auseinandersetzung mit dem Stoff bestaunen kann. Bereits in der vergangenen Spielzeit inszenierte Darbyshire für die Oper Zuid zwei weitere Einakter Rossinis.
Manches, wie eine allein für Ernestine eingeflochtene Arie, erscheint etwas überflüssig, aber dennoch stimmig. Anpassungen im Handlungsstrang unterstützen jedoch in der Regel die Komik und akzentuieren das Verwirrspiel um die Liebhaber. Das vermeintliche Porträt der Braut – im Libretto aufklärenderweise das der Schwester Albertos – wird in Wien zum Bildnis der künftigen Schwiegermutter. Das gelungene Brautgeschenk erntet zu Recht Lacher.

Die beengenden Verhältnisse der Kammeroper werden in der Inszenierung nicht nur improvisiert, sondern kreativ fruchtbar gemacht. Drei Drehtüren (Bühne/Kostüm: Agnes Hasun) ersetzen gelungen eine Drehbühne, der Zuschauerraum wird Schauplatz des tosenden Gewittersturms. Unterdessen sind besonders das Licht (Karl Wiedemann), Choreographie und Musik auf zum Teil überraschende Weise, zweitweise rhythmisch, aufeinander abgestimmt.

In musikalischer Hinsicht kann nur wiederholend das lustvolle Musizieren aller Beteiligen hervorgehoben werden: Sei es das furiose zum Gewitter aufspielende Wiener KammerOrchester unter der Leitung von Pedro Beriso, die verspielten Koloraturen in rossinischer Machart gleichermaßen perlig dargebracht von Alberto Robert, Roberto Lorenzi oder auch Lazar Parežanin sowie die mitreißenden Arien Inna Demenkovas. Petra Radulovic und Ilyà Dovnar passen sich in jeder Rezitativformation hervorragend in das musikalische Geschehen ein. So werden Dialoge auch musikalisch erlebbar.
Wie man mit einer gewissen Eingebung bereits vor Beginn der Vorstellung in der Reihe hinter mir mutmaßte und im Laufe des Stückes auch wiederholt halblaut raunend bestätigte: Mit Rossini – und ganz besonders diesem – kann man nichts falsch machen.
L’OCCASIONE FA IL LADRO von Gioachino Rossini, Libretto von Luigi Prividali Musikalische Leitung: Pedro Beriso | Inszenierung: Marcos Darbyshire | Bühne und Kostüm: Agnes Hasun | Licht: Karl Wiedemann | Dramaturgie: Kai Weßler | Berenice: Inna Demenkova | Conte Alberto: Alberto Robert | Don Parmenione: Roberto Lorenzi | Ernestina: Petra Radulovic | Don Eusebio: Ilyà Dovnar | Martino: Lazar Parežanin | Wiener KammerOrchester
Mehr Informationen unter L’occasione fa il ladro – Kammeroper (MusikTheater an der Wien)
Fotos: © Marcel Urlaub