Kammeroper (MusikTheater an der Wien) /// 8. Juni 2025 /// Isacco figura del redentore
Vom musikalisch unverzeihlichen Schluss einmal abgesehen, bietet sich in der Kammeroper eine bemühte Inszenierung eines ungeschliffenen Diamanten der Wiener Klassik aus der Feder einer Komponistin: Mit Isacco wird die biblische Geschichte um die Opferung des jungen Isaak durch dessen Vater Abraham auf die Bühne gebracht. Während das Stück zeitgenössisch gegenreformatorisch den katholischen Glauben stärken sollte, traut die Aufführung dieser Tage dem Publikum nicht einmal mehr Phantasie zu und übersetzt das spärlich ausgestattete Geschehen fortlaufend in einem parallel mitflimmernden Stummfilm.
Sie war Zeitgenossin Mozarts, eine Schülerin Haydns und spielte für Kaiserin und Kaiser: Marianna von Martines (1744–1812) war und ist eine musikalische Ausnahmegestalt. Zeitgenossen titelten sie gar als Genie. Und dennoch kommen Werke aus ihrer Feder heute nur noch selten zur Aufführung. Eine dieser raren Gelegenheiten bietet sich in der Kammeroper des MusikTheaters an der Wien. 1782 vertonte Martines das Libretto Isacco figura del redentore Ihres Gönners und Förderers Pietro Metastasio (1698–1782) – Hofdichter Kaiser Karls VI.. Dieses Oratorium wird heute zu ihren bedeutendsten Werken gezählt, wenngleich die Erstvertonung durch Luca Antonio Predieri (1688–1767) bereits 1740 zur Uraufführung kam.
Im Zentrum der Handlung steht eine biblische Erzählung (Gen 22, 1–19): Abraham wird von Gott – im Stück durch einen Engel – angewiesen, seinen eigenen Sohn zu opfern. Doch ehe Abraham das Opfer gehorsam vollenden kann, schreitet ein Gesandter Gottes ein, verhindert das Blutvergießen und bestätigt Abraham seine Gottesfurcht. Im Libretto Metastasios wird dieses Ensemble aus Abraham (Christian Senn), Isaak (Dennis Orellana) und dem Engel (Andjela Spaic) um Sarah (Sophie Gordeladze), die Mutter Isaaks und die Ehefrau Abrahams, sowie Gamari (Anle Gou), einem Freund Isaaks, erweitert.
Der Schwerpunkt des Librettos liegt zunächst auf der Gottesfurcht Abrahams, ehe Sarah noch in den zweiten Teil hinein an ihrem schmerzenden Mutterherz zu zerbrechen droht. In letzter Sekunde treffen Vater und Sohn nach einer Ankündigung durch Gamari lebend und geläutert ein und berichten ausführlich, was ihnen widerfuhr. Den Abschluss bildet ein neutestamentarischer Vorgriff Metastasios, indem Abraham den Tod Christi voraussieht und Parallelen zwischen ihm und seinem Sohn zieht. Damals eine gute Gelegenheit für den Hofdichter dem am Hofe verbreitenden Marienkult gebührend zu entsprechen und die leidende Sarah analog zu Maria, der Mutter Jesu, zu stellen.

Man könnte allein anhand der Rezeptionsgeschichte dieser biblischen Erzählung meinen, es böten sich genug Anknüpfungspunkte für eine moderne Inszenierung mit Aussage. Die Version der Kammeroper (Eva-Maria Höckmayr), mit der die Regisseurin ihr Debüt in Wien gibt, verfehlt jedoch das Ziel.
Ob der fehlenden Phantasie des Publikums, eines womöglich schmalen Budgets oder anderer Ausflüchte wegen wird die kostümierte und gemimte Handlung simultan und fast durchgängig im Bühnenhintergrund auf einer Leinwand filmisch ein zweites Mal erzählt (Lukas Schöffel). Einige Kulissen der Filmschnipsel – eine biedere Altbauwohnung mit Puppenhaus und Christbaum – finden sich auch unscheinbar im Hintergrund auf der Bühne wieder (Fabian Liszt). Als wolle man eine Analogie schaffen, wo keine ist.
Dieser Doppeleffekt, der zuweilen den Anschein einer Denkkrücke für das Publikum erweckt, wird zusätzlich durch einen jungen Knaben figuriert, der eingangs als Double zum Solisten Isaaks fungiert. Der Eindruck eines beinahe schizophrenen Kindes entsteht, dass nicht nur mit dem Vater, sondern auch mit sich selbst spricht beziehungsweise singt.

Generell ist das Bühnenbild eher spärlich ausgestattet. Zentrales Requisit ist, neben fünf Stühlen, ein Messer, das von Hand zu Hand wechselt: Als Symbol der schmerzgeplagten Mutter, als Zeichen der Zerrissenheit, als Corpus Delicti des göttlichen Opfers.
Die fünf Stühle umrahmen die Handlung. Zunächst dienen sie einem homogenen Quintett, ehe die anfangs gleichförmigen Sängerinnen und Sänger schrittweise in ihre Rollen und Kostüme wachsen. Das gibt durchaus Zeit, den Handlungsstrang ins alttestamentarische Zeitalter zurückzuverfolgen. Ebenso schleichend verlassen die Solisten zum Ende hin auch wieder ihr narratives Gewand und wechseln, mit etwas zerzausten Haaren wieder auf ihre Anfangsposition. Die bedeutungsschwere Erzählung der Bibel und Thora wird so zu einem bösen Traum relativiert.

Die Solistinnen und Solisten liefern musikalisch eine solide Basis für das gedoppelte Geschehen. Hervorzuheben sind die Klarheit und Schärfe des Countertenors Isaak, die jedoch gegenüber des gleichförmigen Ausdrucks einbüßen sowie die konträr dazu sehr facettenreichen Partien des Engels beziehungsweise Gottesboten. Beinahe ebenso expressiv singt auch Sarah als leidgeplagte Mutter ihre Arien.
Das Bach Consort Wien (Leitung: Chiara Cattani) begleitet das Geschehen musikalisch gleichermaßen und überwiegend ausdrucksstark, wenngleich Bühne und Graben zeitweise unabhängig voneinander agieren und so sängerisch-instrumentale Dialoge zu zweischneidigen Angelegenheiten werden.
Bereitet der Abend durchaus vor allem musikalische Freuden, kommt das Stück mit einem abrupten und vorzeitigen Ende der Partitur im Finale des zweiten Teils zu einem unverzeihlichen Ende. Sicher ist auch Marianna von Martines und ihrem Andenken mit einer Neuinszenierung Ihres Oratoriums Isacco gedient; aber so?
ISACCO von Marianna von Martines, mit einem Libretto von Pietro Metastasio
Inszenierung, Kostüm: Eva-Maria Höckmayr | Musikalische Leitung: Chiara Cattani | Bühne, Kostüm: Fabian Liszt | Video: Lukas Schöffel | Licht: Karl Wiedemann | Dramaturgie: Andri Hardmeier | Abramo: Christian Senn | Isacco: Dennis Orellana | Sara: Sophie Gordeladze | Gamari: Anle Gou | Angelo: Andjela Spaic | Musik: Bach Consort Wien
Mehr Informationen unter Isacco – MusikTheater an der Wien
Nächste Aufführungen: 10., 12., 15., 17., 20., 22., 24. und 26. Juni 2025.
Fotos: © Herwig Prammer