Burgtheater /// 11. April 2025 /// ELISABETH!
Wer war Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn? Fritzi Wartenberg inszeniert im Burgtheater Mareike Fallwickls monologisches Theaterstück, das sich Schicht für Schicht des Mythos Sisi annimmt. Anstatt neuer Aufladungen wird an diesem Abend der Versuch unternommen, die zahlreichen Geschichten und Vereinnahmungen der ewig schönen jungen Kaiserin zu dekonstruieren.
In einem schwarzen, fliegenden Kleid hetzt Elisabeth (Stefanie Reinsperger) auf die Bühne, sichtbar unbehaglich unter den Stoffschichten, derer sie sich die nächsten 105 Minuten stückweise entledigen wird. Stefanie Reinsperger weiß den Bühnenraum mit ihrer ungemein eindrücklichen schauspielerischen Leistung und Präsenz zu füllen. Auch Elena Ulrichs und Lilian Kaufmanns Spiel an Bass und Schlagzeug trägt entscheidend zu einem wütenden, enttäuschten und dennoch hoffnungsvollen Blick auf den Sisi-Mythos bei.

Unverkennbar mit Sternenkrone und aufwendiger Flechtfrisur eröffnet Stefanie Reinsperger als Elisabeth den Abend mit jenen Worten, mit denen die historische Figur ihr Leben beschlossen haben soll:
„Was ist denn nur mit mir geschehen?“
Diese Frage bildet die Poetik des Stücks, das zu ergründen sucht, wie sich um die fünfzehnjährige Elisabeth von Bayern im Kontext von Revolution, Hungersnöten und Krise der Monarchie ein Mythengespinst bilden konnte, das nicht nur die Selbstbestimmung der späteren Kaiserin beschnitt, sondern stellvertretend für eine massenhafte, systemische und transgenerationale Kathexis des weiblichen Körpers steht. Zugleich wissen Text und Inszenierung um die hierarchische Einordnung der Wittelsbacherin weit über ihren bürgerlichen und proletarischen Zeitgenoss*innen. Dass ihr Schicksal jedoch besonders zur Reflexion einlädt, ist der damit zusammenhängenden Geschichtsschreibung zu verdanken, die zugleich umso mehr nach einer Revision des Mythos verlangt, wie Autorin und Regisseurin überzeugt scheinen.
Engführungen mit Imane Khelif, Rosa Parks und Gisèle Pelicot muten zwar zunächst fehl am Platz an, verbieten sich schließlich Parallelisierungen dieser Frauenleben und deren Engagements mit der obersten Frau der Doppelmonarchie. Doch wird sich darauf eingelassen, in diesen Referenzen und teils vortragshaften Textteilen keinen Vergleich verschiedener Leiden an misogyner und patriarchal-systemischer Repression zu vermuten, wird ein Blick auf Systemparallelen möglich. Dass Frauenkörper überhaupt Gegenstand männlicher und hegemonialer Projektionen sind, verstehen Text und Inszenierung als einendes Moment. Diese Beobachtung ist keineswegs innovativ, muss sie jedoch vielleicht auch nicht sein. Eine nicht zu vernachlässigende Stärke des Stücks bildet die Hervorhebung des jungen Alters der Elisabeth von Bayern: Im Jahr der Verlobung mit dem sieben Jahre älteren Franz Joseph war Elisabeth 15 Jahre alt, ihr erstes Kind gebar sie mit 17.
„Da war ich ein Kind!“
schreit Stefanie Reinsperger in ihrer Titelrolle und die Gewalt hinter der Propagierung der in der Tat jungen, fremdbestimmt verheirateten Kaiserin ist unüberhörbar.
Neben Raum für zeitgenössisches weibliches Leid wird auch mit dem Mythos Sisi und dessen popkultureller Vermarktung gebrochen. Erfrischend wütend wird aus diversen Rezeptionen zitiert, deren romantisierter Inhalt nur mehr zynisch verstanden werden kann. Neben dem Musical-Song „Ich gehör nur mir“ sind es vor allem die Filme mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm, die ganze Arbeit am Mythos geleistet haben. Während dort zwischen gemeinsamen Lieblingsmehlspeisen und Lieblingsblumen zunächst allein das Verhältnis zur zurückgewiesenen Schwester Helene und die zur bösen Schwiegermutter stilisierte Sophie das Glück der jungen Liebe zu trüben scheinen, richtet Mareike Fallwickl den Fokus auf die Rezeptionsmechanismen. Aufgedeckt wird ein System, das weibliche Konkurrenz an die Stelle von Solidarität setzt. Der Text weiß, dass die Kaiserin auch selbst Teil und Träger solcher Misogynie war. Doch es tut gut und scheint notwendig, diese Gleichzeitigkeit, diesen scheinbaren Widerspruch, zu ertragen.

Das Stück endet idealistisch mit jener Solidarität und Verschwisterung, die Sisi – dem Phänomen, dem Mythos – verwehrt blieb und die sie vor allem selbst verwehrte. Mareike Fallwickls Elisabeth will Raum geben, worin sich jedoch wiederum ein Moment eigener Mythisierung Bahn bricht. Raum für andere Frauen, für deren Schichten und Geschichten. Fritzi Wartenberg und das Burgtheater wollen einen solchen Raum auf der Bühne errichten. Die Rede von einem feministischen Rewriting oder gar einer Verortung der Elisabeth in eine feministische Tradition ist zu hoch gegriffen. Interessanter ist der Blick auf Ursachen und Spielarten der Rezeption. Vieles, was feministische Erkenntnis sein will, bleibt allerdings oberflächlich, worüber auch Stefanie Reinspergers grandioses Spiel nicht hinwegtäuschen kann. Dennoch wäre es durchaus wünschenswert, wenn die zum Schluss verbalisierte Intention des Bühnenraums in den öffentlichen Diskursraum übergeht.
ELISABETH!
von Mareike Fallwickl
Regie: Fritzi Wartenberg | Bühnenbild: Jessica Rockstroh | Kostüme: Leonie Falke | Musik: Lilian Kaufmann, Elena Ulrich | Licht: Roman Sobotka | Dramaturgie: Christina Schlögl
Mehr Informationen unter Elisabeth! | Burgtheater
Fotos: © Tommy Hetzel